Aichwald. Die Ankündigung von Bürgermeister Lorenz Kruß, von Aichtal nach Aichwald wechseln zu wollen, weil er dort finanziell wie atmosphärisch bessere Verhältnisse vorfindet, hat in seiner Heimatgemeinde am Wochenende für erhebliche Diskussionen gesorgt. Gemeinderäte zeigten sich überrascht von den Plänen des 53-Jährigen, der seit 2012 Rathauschef in Aichtal ist.

Das Verhältnis zwischen Kruß und dem Gemeinderat der knapp 10 000 Einwohner zählenden Stadt gilt seit längerer Zeit als angespannt. „Bei uns gibt es im Gemeinderat oft ein Klima des Misstrauens“, sagte Kruß im EZ-Gespräch. An Aichwald gefalle ihm, dass Verwaltung und Gemeinde „sehr zukunftsorientiert unterwegs“ seien. „Da gibt es ein wirklich gutes Zusammenspiel.“

Im Dezember hatte Lorenz Kruß seinem Unmut und seiner Enttäuschung Luft gemacht. „Es gab wenig Zusammenhalt zwischen Gemeinderat und Verwaltung“, sagte der Aichtaler Rathauschef damals. „So manche Sitzungen waren am Rande dessen, was eines Gemeinderats würdig ist.“ Die Reaktionen der Bürger nach der Sperrung der Ortsdurchfahrt Aich hätten ihn an seine Grenzen gebracht: „Wenn es so weit kommt, dass ich mich von Mitbürgern beleidigen und bespucken lassen muss, dann läuft etwas falsch.“ Die Aichtaler Fraktionsvorsitzenden reagierten im Januar in einer gemeinsam verfassten Stellungnahme auf die deutliche Kritik. Damals hieß es, der Bürgermeister habe seine Jahresabschlussrede für „einen verbalen Rundumschlag gegen das Gremium, mit pauschalen und auch persönlichen Vorwürfen und Behauptungen“ ausgenutzt. Jedoch wolle man „die Diskussion ruhen lassen“, um erfolgreich weiter zusammenzuarbeiten. „Dafür reichen wir unsere Hand“, hieß es von Seiten der Fraktionsvorsitzenden.

Anstatt für Entspannung zu sorgen, könnte der Wechselwunsch des Rathauschefs die Situation nun weiter anheizen. In einer E-Mail informierte Kruß die Gemeinderäte am vergangenen Freitag über seine Pläne.

„Wir sind wirklich sehr überrascht“, reagierte Dieter Weiler, Fraktionsvorsitzender der Aichtaler Liberalen. „Wir wollen jetzt aber auch keine Schlammschlacht anfangen.“ Deshalb verzichte man darauf, ein Statement zu den Hintergründen abzugeben. „Ich persönlich empfinde Lorenz Kruß als einen sehr angenehmen Menschen. Die politische Seite ist natürlich eine andere“, so Weiler. Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Jürgen Steck zeigte sich „extrem erstaunt“ über die Nachricht. Die Grünen-Fraktion bewundere den Mut von Kruß, sich in Aichwald ins kalte Wasser zu stürzen. „Allerdings hat Herr Kruß wohl realistisch eingeschätzt, dass er bei der nächsten Bürgermeisterwahl viel Gegenwind bekommen wird“, so Steck. „Gerne hätten wir ihn auf einen guten Weg gebracht.“ Allerdings seien in der Vergangenheit zu viele Fehler gemacht worden: „Wir sind mit der aktuellen Situation total unzufrieden.“ Kruß habe zu wenig Vertrauen in die richtigen Leute gesetzt und stattdessen auf die Falschen gehört. Deshalb sei man sich unter den Fraktionen auch einig gewesen, für die Bürgermeisterwahl im kommenden Jahr einen geeigneten Gegenkandidaten aufzustellen.

SPD/UL-Fraktionsvorsitzender Jörg Harrer schlägt etwas versöhnlichere Töne an: „Es gab natürlich ab und zu Reibereien, aber nichts, was man nicht hätte überwinden können.“ Deshalb habe er mit diesem Schritt nicht gerechnet. „Es ist bekannt, das die Stimmung zwischen Gemeinderat und Bürgermeister angespannt ist“, so Jost Fuhr, CDU/BLA-Fraktionsvorsitzender. „Ich schätze Lorenz Kruß als geradlinigen Menschen.“ Fakt sei, dass das Ortsteildenken in Aichtal so schlimm wie noch nie zuvor sei. „Das ist für jeden Bürgermeister eine schwere Situation.“ Auch die Freie Unabhängige Wählervereinigung wollte auf die Hintergründe der Entscheidung nicht weiter eingehen. „Es ist seine Entscheidung, er wird seine Gründe haben“, so Fraktionschef Jörg Kimmich. Meinungsunterschiede zwischen Gemeinderat und Verwaltung gäbe es überall: „Wir haben in der Fraktion jedenfalls nicht die Notwendigkeit gesehen, dass er gehen muss.“

Unterdessen sind in Aichwald zwei weitere Bewerbungen für den Bürgermeisterposten eingegangen. Ein Bewerber aber gleich per Mail wieder einen Rückzieher gemacht, berichtet Hauptamtsleiter Stefan Felchle auf EZ-Anfrage. Seine Kandidatur angemeldet hat Michael Reinhardt, ein 53 Jahre alter Zollbeamter, der in Aichwald wohnt. Mehr ist über dessen Kandidatur nicht bekannt. Außer ihm und dem Aichtaler Rathauschef Kruß bewirbt sich der Esslinger CDU-Politiker Andreas Jarolim (34) für das Amt des Aichwalder Bürgermeisters. Offizielles Ende der Bewerbungsfrist ist am Montag, 18. Februar, um 18 Uhr. Die Wahl findet am 17. März statt.