Es ist ein hochwertig saniertes und modernisiertes Bauernhaus, nahe an der Natur gelegen. Für die Bewohnerinnen und Bewohner ist das aber nicht der Hauptgrund, warum sie ins „Haus Maiersgasse“ gezogen sind. Wer hier wohnt, lässt sich ganz bewusst auf die Hausgemeinschaft ein. Eine Bilanz, drei Jahre nach dem Erstbezug des Wohnprojekts in Aichschieß, fällt positiv aus.

Kürzlich war Nükhet Kulak-Müller schon im Hausflur, als sie bemerkte, dass die Mütze von Dante, ihrem neun Monate alten Sohn, den sie auf dem Rücken trug, verrutscht war. Sie klingelte bei Ewald und Veronika Frank, die die Sache buchstäblich zurechtrückten. Natürlich könnte man das auch in jedem anderen Mehrfamilienhaus so halten. Aber im Haus Maiersgasse ist die gegenseitige Hilfe zwischen Nachbarn Programm, das macht die Sache einfacher.

Aktuell leben 21 Menschen im Haus, zwischen drei Monaten und 73 Jahren alt. Zwei der Wohnungen im Haus sind von ihren Eigentümern bewohnt, sechs vermietet. Zwei Wechsel haben in den drei Jahren nach den Erstbezug schon stattgefunden: Mal brauchte eine Familie mehr Platz, mal stand ein Ortswechsel an. Bei der Auswahl der Mieter achte man darauf, dass sie voll hinter dem Konzept stehen und nicht nur Interesse an einer schönen Wohnung haben, sagte Ulrike Blum, Miteigentümerin und Initiatorin des Mehrgenerationen-Projektes.

Christine Dengler-Leubner und ihr Mann haben sich schon in der Planungsphase gemeldet; sie hatten das Haus Maiersgasse über die Plattform neue-wohnformen.de entdeckt und sind aus Pforzheim nach Aichwald gezogen. Das Ehepaar Frank kam zwar aus dem benachbarten Ortsteil Schanbach, zögerte aber zunächst: Dort sei die Infrastruktur schon besser, „praktisch alles um die Ecke“, sagt Ewald Frank. Nach einigem Abwägen entschieden er und seine Frau sich aber doch fürs Gemeinschaftsmodell. „Das Miteinander hat uns gelockt“, sagt auch Nükhet Kulak-Müller, die mit Mann und Tochter von Tübingen auf den Schurwald zog; mittlerweile kam noch Sohn Dante zur Welt. Erst kürzlich eingezogen sind Franziska und Harry Delgas mit Sohn Pepe. Kontakt zwischen mehreren Generationen unter einem Dach, „wo hat man das schon, abgesehen vielleicht von der eigenen Familie?“, sagen sie. „Das ist ein totales Zukunftsmodell“.

Vor dem Einzug hat die Familie, die vorher in Stuttgart-Uhlbach wohnte, die anderen Bewohner und die Stimmung im Haus kennengelernt. Dass andere Kinder im Haus sind, war für sie ein wichtiger Punkt, so könne man vielleicht den eigenen Nachwuchs auch mal „kurz abgeben, wenn man zur Post muss“. Kulak-Müllers haben das bereits mit einer der beiden wieder ausgezogenen Familien praktiziert: „Die Mädels waren auch in den Ferien nahezu zwölf Stunden zusammen“. Die ältere Generation im Haus ist – vor Corona – öfter eingesprungen, um Kinder von der Schule oder dem Kindergarten abzuholen, umgekehrt könnten die Senioren ohne Weiteres ihre Nachbarn bitten, etwas für sie einzukaufen oder zu erledigen. Sie sind bisher selbst noch so mobil, dass sie das nicht brauchten. Aber die Möglichkeit ist da und war für Christine Dengler-Leubner ein wichtiger Pluspunkt. Einstweilen sind sie und ihr Mann allerdings noch viel auf Reisen und freuen sich, wenn jemand nach der Wohnung sieht. Das Ehepaar Frank, das gleich am Eingang wohnt und Verwaltungsaufgaben im Haus übernommen hat, sei „automatisch ein Anlaufpunkt“, sagen alle. Wird das nicht zu viel? „Man kann ja jederzeit die Tür zumachen“, sagte Ewald Frank, „es ist keine Zwangslage“. Wenn Corona vorbei sei, wolle man wieder viel mehr zusammen machen.

Ob jung oder älter, alle genießen die schöne Lage am Ortsrand ebenso wie den schönen Gemeinschaftsraum, in dem sie kürzlich einen kontaktlosen Kindersachenflohmarkt organisiert haben. Auch zum Aichschießer Dorfleben gibt es Berührungspunkte; so engagiert sich Nükhet Kulak-Müller unter anderem ehrenamtlich in einer Schlichtungsstelle für dörfliche Streitigkeiten. Und beim Pressegespräch entwickelt sich ein lebhafter Austausch zwischen den Hausbewohnern über Lieferdienste und Bestellmöglichkeiten bei den örtlichen Geschäften. „Es ist etwas ganz anderes als in einem anderen Mehrfamilienhaus“, sagt Kulak-Müller über das Zusammenleben.