Aichwald. Anfang August geht Wolfgang Bihl, der Rektor der Grundschule Aichwald, in ganz große Ferien: Für den 65-Jährige beginnt ein Leben ohne Schulgong. Er tritt nach einem bewegten pädagogischen Leben in den Ruhestand.

Wolfgang Bihl freut sich sehr, dass am 22. Juli ein Abschied mit Kindern möglich ist. Anders hätte er es sich nicht vorstellen können und wahrscheinlich lieber darauf verzichtet. Aber jetzt dürfen Schülerinnen und Schüler dabei sein und sogar singen – schließlich ist seine Schule seit einigen Jahren eine „Singende Grundschule“. Unter Federführung von Musikschulleiterin Inge Kocher wurde ein passendes Konzept für dieses besondere Profil gestrickt, bei dem gemeinsame Lieder eine wichtige Rolle spielen. Fast 200 Schülerinnen und Schüler vor sich singen zu sehen und zu hören, sei ein „derart berührendes Erlebnis“, sagt Bihl: „Das geht wirklich ans Herz.“ Die enge Kooperation mit der Musikschule, die nachmittags die Räume der Grundschule nutzt, ist sicherlich eine Besonderheit in Aichwald. Aber auch sonst hat der Pädagoge hier auf dem Schurwald „ein Stück heile Welt und viel Harmonie“ angetroffen, wie er findet. Auch die Eltern seien „ungemein engagiert, die sind bei allem dabei und unterstützen“.

Der Wechsel nach Aichwald war für Wolfgang Bihl ein echtes Kontrastprogramm zu den vorherigen pädagogischen Erfahrungen. Nach dem Referendariat hat er zunächst zwei Jahre in einer Förderschule gearbeitet, dann 15 Jahre lang an der Raitelsbergschule im Stuttgarter Osten, einer Brennpunktschule „mit herausfordernder Schülerschaft“. Als positiv erlebte er dort, dass das Lehrerkollegium besonders eng zusammenarbeitete. 15 Jahre blieb er – „damals hatte ich noch gute Nerven“, sagt er lachend –, um dann als Konrektor an die Grund- und Hauptschule Mettingen zu wechseln. Die Mischung aus Unterrichten und verwalterischer Arbeit findet er durchaus reizvoll, selbst die schwierige Gestaltung des Stundenplans: „Der ist wahnsinnig wichtig, der bestimmt die Zufriedenheit des Lehrerkollegiums“. Wenn es gelinge, Lehrer- und Schülerinteressen auszugleichen, sei sehr viel gewonnen. In Aichwald widmeten sich zwei Kolleginnen mit ihm zusammen dieser harten Nuss. „Wenn man zu dritt ist und sich viel Zeit nimmt, dann kriegt man es auch hin“, so seine Erfahrung.

Aber auch die Jahre in Aichwald waren kein Spaziergang. Das Ende der Werkrealschule, durch die Abschaffung der verpflichtenden Grundschulempfehlung befördert, war schmerzhaft. Immerhin durfte die Schule das Modell auslaufen lassen und alle Schülerinnen und Schüler konnten noch ihren Abschluss in Aichwald machen. „Das war mir sehr wichtig, da hat uns auch die Gemeinde sehr unterstützt“, sagt Wolfgang Bihl.

Er sieht die Entwicklung trotzdem skeptisch, denn manche Jugendliche bräuchten einfach den kleinen, familiären Rahmen, den die Haupt- beziehungsweise Werkrealschulen früher boten.

Für ihn persönlich brachte der Einschnitt mit sich, dass er als Hauptschullehrer nun in größerem Umfang in der Grundschule unterrichtete. „Das war eine sehr, sehr schöne Erfahrung, das muss ich wirklich sagen“, zieht er Bilanz. Es mache Freude zu erleben, wie die Kinder in diesem Alter offen auf den Lehrer zugehen. „Noch mal richtig Vollgas“ verlangte ihm und der Schulgemeinschaft die Sanierung der Schulgebäude in Schanbach ab. Zuerst der Nebenbau, dann der Hauptbau, und damit zweieinhalb Jahre Baustellenzeit und zwei Komplettumzüge.

Dass die Schulgemeinschaften bei den Planungen einbezogen wurde, weiß er zu schätzen: „Das finde ich hier in Aichwald sehr angenehm, dass man da wertgeschätzt wird und mitgestalten kann.“ Dankbar ist er auch dafür, dass der finale Umzug noch im Dezember 2019 stattfand, bevor Corona das Land im Griff hatte. Und dass die Schule ziemlich glimpflich durch die Pandemie kam: Lediglich zwei Mal musste eine Klasse für zwei bis drei Tage in Quarantäne.

Seit den Pfingstferien sind auch wieder die Kinder in der Schule – ein Abschied im leeren Schulhaus wäre traurig gewesen. Was die Lernformen angeht, sieht Bihl aber derzeit einen Rückschritt, trotz aller digitalen Formate, die neu dazukamen. Im Klassenzimmer sei man jetzt aus Hygienegründen wieder viel näher am Frontalunterricht, den die Schule eigentlich „in Richtung individueller und kooperativer Lernformen“ weitgehend verlassen wollte. Damit werden sich sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin – bisher noch nicht gefunden – beschäftigen müssen.

Für die nun beginnende private Zeit hat Wolfgang Bihl jede Menge Pläne: mit einem VW-Bus auf Tour gehen, Stand-up-Paddling ausprobieren, ein paar Monate auf einer Hütte in den Alpen verbringen, eine lange Strecke wandern – das könnte alles passieren. Ebenso freut er sich auf mehr Sport, auf mehr Kirchenbesuche und vielleicht ein Engagement. Und ganz besonders auf die Zeit mit seinen sechs Enkelkindern.