Neues Zentrum auf der grünen Wiese

BW von oben Mit dem Gemeindezentrum rund um Schule und Schurwaldhalle haben die Menschen in Aichwald ein neues Zentrum geschaffen. Ursprünglich sollten bis zu 20 000 Einwohner in der Gemeinde leben. Doch das Regierungspräsidium stoppte die hochfliegenden Pläne.

Aichwald. Aus drei mach eins – das ist die Rechnung, auf der die heutige Kommune Aichwald basiert. 1974 war das Schicksalsjahr für den neuen Ort, der sich damals im Zuge der Kommunalreform aus den Gemeinden Aichelberg, Aichschieß (mit Krummhardt) und Schanbach (mit Lobenrot) formierte. Wie sich der Zusammenschluss mit Blick auf die Infrastruktur ausgewirkt hat, zeigt sich deutlich, wenn man zurückblickt.

1974 war für viele Kommunen auf dem Schurwald ein einschneidendes Jahr, denn im Zuge der Kommunalreform mussten zahlreiche kleine Gemeinden ihre Unabhängigkeit aufgeben und sich mit Nachbargemeinden zusammentun. So entstand eben auch die neue Gemeinde Aichwald. Das Datum markiert für die Kommune den Beginn einer neuen Zeit. Es galt nicht nur, die Menschen über die alten Ortsgrenzen hinweg zusammenzubringen, auch die Infrastruktur von Aichwald musste den Anforderungen angepasst werden. Die Erneuerung reichte vom Kindergarten bis zur Kläranlage und von der Feuerwehr bis zum Seniorenheim. Im Rückblick zeigt sich der tief greifende Wandel der einst drei landwirtschaftlich geprägten Dörfer hin zu einer modernen Kommune mit hohem Freizeitwert.

Wo früher Äcker und Wiesen die Landschaft prägten, ist längst das neue Zentrum von Aichwald entstanden. Die Rede ist vom Ortsteil Schanbach, wo sich am östlichen Ortsrand nach und nach das Gemeindezentrum entwickelte. Es entstanden neben Schule und Schurwaldhalle zahlreiche Sportstätten und Einrichtungen der Vereine, ein Kinder- sowie ein Jugendhaus samt Sternwarte. Hier spiele sich längst das gesellschaftliche und kulturelle Gemeindeleben von Aichwald ab, berichtet Richard Hohler, der von 1974 bis 2006 Bürgermeister der Kommune war.

Hohler hat das Zusammenwachsen der drei Orte maßgeblich mitgeprägt. Er kennt den Stolz der Bewohnerinnen und Bewohner, der die einzelnen Ortsteile auszeichnet, und hat die Empfindlichkeiten erlebt, die auch ihre Berechtigung haben, wie er rückblickend meint. Das habe unter anderem auch die Debatte um den Standort des neuen Rathauses der Gemeinde geprägt.

Der damalige Flächennutzungsplan sah als Standort ebenfalls das neue Gemeindezentrum vor. Davon habe er aber nichts gehalten, erklärt Hohler, denn ein Rathaus gehöre nicht auf die grüne Wiese, sondern es müsse nah bei den Menschen sein. Schließlich habe man sich auf die Ortsmitte von Schanbach als größtem der drei Teilorte verständigen können und dort den neuen Verwaltungssitz gebaut. Der ehemalige Bürgermeister ist heute froh, dass die Empfindlichkeiten rund um die Standortfrage mit der Zeit befriedet werden konnten. Alles braucht seine Zeit, das zeigt sich auch beim Umgang mit den früheren Rathäusern. Aus dem Schanbacher Verwaltungssitz wurde in den 1990er-Jahren die neue Bücherei, im Rathaus von Aichelberg ist heute die Kernzeitbetreuung untergebracht, und in Aichschieß dient der ehemalige Verwaltungssitz inzwischen der Diakonie- und Sozialstation Schurwald als Geschäftsstelle.

Hohler erzählt, ihm sei es wichtig gewesen, die Rathaus-Frage nachrangig zu behandeln, denn zunächst sei es darum gegangen, die übrige Infrastruktur der neuen Gemeinde auszubauen. Nach und nach wurden die Zentren der drei Ortsteile saniert. Es habe sich zwar nicht alles bewährt, so habe das verlegte Pflaster dem heutigen Schwerlastverkehr nicht überall standhalten können, doch dank der bepflanzten Flächen, Bäume und kleinen Plätze seien die jeweiligen Ortskerne deutlich aufgewertet worden.

Spätestens seit der Kommunalreform standen auch in Aichwald die Zeichen auf Wachstum. Die relativ kurzen Wege nach Esslingen, Stuttgart und ins Remstal und die vergleichsweise erschwinglichen Baulandpreise führten nach Hohlers Worten zu einem kräftigen Zuzug. Immer mehr Menschen, die das Leben im Grünen und in einer ländlich geprägten Gemeinde bevorzugten, zog es in den vorderen Schurwald. Heute zählt Aichwald rund 7700 Einwohner. Dabei hätten es ursprünglich deutlich mehr werden können. Unter der Überschrift „Schurwalderholungsstadt“ schmiedete der damalige gemeinsame Planungsverband von Aichelberg, Aichschieß und Schanbach ehrgeizige Pläne. Auf der Basis eines übergreifenden Flächennutzungsplans sollte Platz für 20 000 Einwohner geschaffen werden. Das hätte eine Vervierfachung der damaligen Einwohnerschaft bedeutet. Die freien Flächen zwischen den drei Gemeinden sollten durch neue Siedlungen geschlossen werden. Ziel war eine „Schurwalderholungsstadt“ mit zwölf Stadtteilen, bis zu 15-stöckigen Gebäuden und eine vierspurige Straße als Verbindung nach Esslingen. Ein Stuttgarter Planer war bereits mit der Umsetzung der Vision beauftragt worden, als das Regierungspräsidium die hochfliegenden Träume schließlich einbremste und als maximale Einwohnerzahl auf 10 000 festlegte. Eine Entscheidung, die vermutlich manchen Streuobstbestand und manche Wiese vor der Überbauung geschützt haben dürfte. Heute wirbt Aichwald auf seiner Homepage jedenfalls für seine „reizvolle Landschaft mit großem Erholungswert“ und die Lage im Grünen, die mit zahlreichen Freizeitmöglichkeiten punkten kann.

Mit dem neuen Projekt „BW von oben“ zeigen wir Baden-Württemberg aus der Vogelperspektive 1968 und heute. Auf den fast 20 000 Luftbildern aus dem Landesarchiv ist das ganze Land zu sehen.