Aichwald/Esslingen. Was es mit den mehrere Hundert Meter langen Kunststoffplanen auf sich hat, die seit einigen Wochen am Ortsrand von Aichschieß in Richtung Plochingen ausgelegt sind? Die Frage einer Leserin unserer Zeitung beantwortet sich mit einer Nachfrage bei der Esslinger Stadtverwaltung. „Damit werden Eidechsen vergrämt“, erklärt der Rathaussprecher Niclas Schlecht. Mit den Folien sollen die geschützten Tiere gezwungen werden, sich neuen Lebensraum zu suchen. Dahinter steckt ein Bauprojekt, das immer wieder verschoben wurde und nun endlich realisiert werden soll: der Radweg zwischen der Waldschenke in Aichschieß und der Deponie Weißer Stein. Ende des Monats werden die Arbeiten ausgeschrieben, kündigt Schlecht an. Von Juli an könne dann der 1,57 Kilometer lange Radweg gebaut werden.

Wie aus einer Sitzungsvorlage für den Verwaltungs- und den Mobilitätsausschuss des Esslinger Gemeinderats hervorgeht, rechnet man mittlerweile mit Gesamtkosten von bis zu 3,2 Millionen Euro. Was erheblich über den bislang bekannt gewordenen Zahlen liegen würde.

Die Kosten enthalten neben dem Neubau des Radweges auch die Sanierung der Landesstraße. Ein geologisches Gutachten hat ergeben, dass die Fahrbahn zwischen dem Kirschbaumweg und dem Ortseingang von Aichschieß deutlich stärker beschädigt ist als ursprünglich angenommen. Allein das bedingt eine deutliche Kostensteigerung. Statt 480 000 Euro müssen für die Straßensanierung nun 780 000 Euro veranschlagt werden. Die Kosten für den Neubau des Radwegs gibt die Stadt Esslingen mit gut 1,6 Millionen Euro an. Grundlage dafür ist laut dem Rathaussprecher eine Kostenermittlung von 2019. Das Regierungspräsidium Stuttgart (RP) hatte 2015 von 325 000 Euro gesprochen. Diese beiden Zahlen seien wegen des völlig verschiedenen Umfangs der Bauarbeiten überhaupt nicht miteinander vergleichbar, sagt Schlecht. Denn damals sei man noch von mehreren Bauabschnitten ausgegangen. Nur der erste wurde vom RP auf die besagten 325 000 Euro geschätzt. Darin auch nicht enthalten seien die Kosten für die Straßensanierung.

Heute belaufen sich die geschätzten Gesamtkosten für Radweg und Straßensanierung auf zusammen knapp 2,7 Millionen Euro. Um vor weiteren Unwägbarkeiten gefeit zu sein, hat das RP einen zusätzlichen Kostenpuffer von 20 Prozent einkalkuliert und bereits freigegeben. Unterm Strich könnte das dann eine Investition von gut 3,2 Millionen Euro bedeuten.

Obwohl längst eine Förderzusage vorliegt, wird das Projekt seit vielen Jahren geschoben. Im November 2014 verkündeten die beiden Landtagsabgeordneten Wolfgang Drexler (SPD) und Andrea Lindlohr (Grüne), dass das Land den Radwegbau in sein „Lückenschlussprogramm 2015 bis 2016“ aufgenommen habe. Beide stuften das Vorhaben damals als „längst überfällig“ ein. Passiert ist an der Strecke bis auf die jetzige Eidechsen-Vergrämung bislang nicht viel.

Begründet wurde die Verzögerung immer wieder mit personellen Engpässen, erst beim RP, das für die Baumaßnahme zuständig ist, weil der vorgesehene Radweg entlang einer Landesstraße führt, dann bei der Stadt Esslingen, auf deren Gemarkung die Strecke verläuft und die die Aufgaben der Planung und der Umsetzung schon im Jahr 2015 vom RP übernommen hatte.

Die Gefahr, dass die zugesagten Zuschüsse irgendwo versickerten, bestehe nicht, hieß es aus dem RP vor zweieinhalb Jahren auf Nachfrage unserer Zeitung. In der Esslinger Stadtverwaltung verwies man damals auf „personelle Veränderungen im Sachgebiet Verkehrsplanung beim Stadtplanungsamt“, deswegen müsse man mit Verzögerungen rechnen. Vermutlich Anfang 2020 könne das Genehmigungsverfahren beginnen, verlautete im Oktober 2019. Die Erwartungen für einen frühzeitigen Baubeginn wurden aber gebremst. „Vermutlich erst im Frühjahr 2021“ könne man mit den Arbeiten anfangen, so die Aussage aus dem Tiefbauamt. Aber selbst diese vorsichtige Einschätzung erwies sich wieder mal als nicht haltbar.