Aichwald. Das Ende der Ära Rehm ist das Gesprächsthema Nummer eins am Tag nach der Hiobsbotschaft. Die Aichwalder Wurstfabrik geht kurzfristig vom Markt, die nach vorherigen Krisen noch verbliebene Belegschaft steht demnächst auf der Straße. Der Betrieb sei am Donnerstag zunächst weitergelaufen, berichtet der Geschäftsführer Frank Roth, obwohl sich einige Mitarbeiter nach der Hiobsbotschaft vom Vortrag krank gemeldet hätten. Im Laufe der kommenden Woche sollen die letzten Wurstprodukte in der Fabrik in Aichschieß vom Band laufen. Dann gehen die Lichter aus – und 52 Frauen und Männer stehen vor einer ungewissen Zukunft. „Die Kündigungen sind bereits raus“, sagt Roth.

Es ist nicht das erste Mal, dass Rehm in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt. 2019 musste Wolfgang Rehm, der mit Roth die Geschäfte führt, Insolvenz anmelden . Nachdem es zunächst wieder bergauf zu gehen schien, folgte im September 2022 dann die Schließung der Maultaschenproduktion und die Kündigung eines Drittels der damals etwa 100 Mitarbeiter. Als Grund nannte die Geschäftsführung damals wie heute den hohen Preisdruck. Diesem unterliege die ganze Branche , wie Thomas Vogelsang erklärt, Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Wurst- und Schinkenproduzenten. Doch steigende Kosten könnten nur bedingt durch Preiserhöhungen weitergegeben werden. Hinzu komme, dass die Endkunden vor dem Hintergrund der Inflation wieder stärker auf sehr preiswerte Lebensmittel setzten. Es gebe immer wieder Betriebe, die aufgeben müssten oder von anderen übernommen würden. Allerdings erkennt Vogelsang keine verstärkte Schließungswelle in den vergangenen Monaten.

Für die Rehm-Belegschaft vielleicht ein Funken Hoffnung: Ein weiteres Problem der Fleischwarenhersteller sei es, Mitarbeiter zu finden. Das bestätigt auch die Agentur für Arbeit Göppingen: „Fleischer werden händeringend gesucht“, sagt die Pressesprecherin Kerstin Fickus. Aber auch für andere Tätigkeiten in der Branche – vom Ernährungswissenschaftler bis zum Produktionshelfer – gebe es Bedarf am Arbeitsmarkt.

Dennoch: Für die Mitarbeiter sei das Aus für das Traditionsunternehmen bitter, so Aichwalds Bürgermeister Andreas Jarolim. Rehm sei zwar nicht der größte Arbeitgeber am Ort, aber ein durchaus maßgeblicher. Der Rathauschef schätzt, dass etwa die Hälfte der Belegschaft aus Aichwald oder dem direkten Umfeld kommt. Mit der Wurstfabrik gehe für den Schurwald ein Imageträger verloren. „Rehm steht auch für Aichwald“, so Jarolim. Der Kommunalpolitiker hofft auf eine neuerliche Gewerbeansiedlung am Standort im Ortsteil Aichschieß, wo die Firma seit 1973 ihren Sitz hat und in guten Tagen wohl auch ein einträglicher Gewerbesteuerzahler für die knapp 8000 Einwohner zählende Gemeinde gewesen ist. „Wie es dort weitergeht, ist zunächst einmal die Sache der Eigentümer“, so Jarolim. Unklar ist allerdings, ob das Grundstück und die Immobilien überhaupt dem Unternehmen, das seit der Insolvenz 2019 im Handelsregister als Rehm Wurstfabrik GmbH firmiert, gehören. Geschäftsführer Frank Roth wollte am Donnerstag keine Angaben zu den Besitzverhältnissen machen. Denkbar wäre auch, dass sie im Privatbesitz der weitläufigen Unternehmerfamilie sind oder zur Insolvenzmasse der Vorgängergesellschaft Eugen Rehm Esslinger Fleischwaren GmbH & Co. KG gehören, die nach wie vor im Handelsregister eingetragen ist.

Nur wenig auskunftsfreudiger ist der 39-Jährige hinsichtlich der immateriellen Werte: Die Rechte an der Marke Rehm lägen bei der aktuellen Gesellschaft, bestätigte Roth. Nicht ungewöhnlich wäre es, wenn trotz der Einstellung der eigenen Produktion auch künftig Artikel unter dem Traditionsnamen in den Supermarktregalen liegen würden. Möglich wäre dies etwa durch einen Verkauf der Markenrechte oder durch eine Lizenzvergabe. „Denkbar ist sicherlich alles“, hält sich Roth noch bedeckt. Der Insolvenzverwalter Tibor Braun, der bereits die Zahlungsunfähigkeit von Dietz-Wurst in Schopfloch und der Metzgereikette Dietz in Bietigheim-Bissingen gemanagt hatte, bescheinigte den Aichwaldern 2019, über interessante Nischenprodukte zu verfügen wie etwa den Ofen-Fleischkäse, der bis zuletzt zum Sortiment von Rehm gehörte.

Ob die Firma nun nach nur knapp vier Jahren zum zweiten Mal in ein Insolvenzverfahren geht, diesmal mit dem Ziel der Auflösung, oder ob sie ordentlich liquidiert wird, bleibt ebenfalls offen. Diese Entscheidung obliege nicht der Geschäftsführung, so Roth, sondern dem Alleineigentümer Wolfgang Rehm. Der 50-Jährige ist der Enkel des Firmengründers Eugen Rehm.